Die See-Berufsgenossenschaft (SeeBG) schreibt im Vorwort ihres
Jahresberichtes von 1990:
Wie in jedem Jahr enthält auch dieser
Bericht wieder eine große Anzahl von Unfallschilderungen
- insgesamt 1207
meldepflichtige Arbeitsunfälle -
11 davon tödlich !
Alle Schilderungen sollen die Versicherten anregen,
das eigene Verhalten an Bord zu überprüfen.
Alle Seeleute sollen deshalb diesen Bericht lesen und daraus Lehren ziehen.
Einmal ganz davon abgesehen,
daß ich während meines Bordaufenthaltes kaum jemals einen Jahresbericht
der SeeBG in die Hände bekommen habe
- ob er an Bord war oder nicht -
wüßte ich nicht, wann und wie ich den vielen
"Kiribaties", "Vanuatus", "Ghanesen" und anderen exotischen Mitarbeitern
- die kaum englisch geschweige deutsch sprechen -
diese Unfallschilderungen vermitteln soll.
Obwohl unsere exotischen Mitarbeiter
bei jedem Arbeitsablauf davon ausgehen
- life is no sparepart -
habe ich die Erfahrung gemacht, daß nicht nur die verbliebenen
deutschen Kollegen verunfallen.
In diesem Zusammenhang möchte ich
einmal darauf hinweisen,
daß ein Arzt an Land meine Heuer als Schiffsoffizier allein mit der
Gesundheitspflege, die mir an Bord von deutschen Seeschiffen obliegt,
verdienen würde.
Aber ich bin ja kein Arzt und es ist ja allgemein bekannt, daß sich die
Ärzte
zu unrecht über die Maßen am deutschen Gesundheitswesen bereichern.
Deutsche und ausländische Seeleute
fliehen vor den Mißständen
auf deutschen Schiffen in Krankheiten, Kuren
und andere Rehabilitationsmaßnahmen, die Jahr für Jahr
erhebliche Kosten verursachen.
Arbeitsmediziner stellten in einer
Studie fest:
Auf deutschen Schiffen stirbt es sich schneller!
Geradezu erschütternd ist die Feststellung der vorliegenden Untersuchung,
daß auf bundesdeutschen Schiffen doppelt so viele Seeleute sterben
wie etwa auf britischen.
Ich frage die SeeBG, welche Lehren sie
aus diesen Umständen zieht.
Der Germanische Lloyd schreibt in seinem "Rückblick 1990:
Zum Jahreswechsel befinden sich 3743 Seeschiffe mit 17,1 Mio BRZ
mit Klasse des Germanischen Lloyd in Fahrt,
außerdem 1024 Binnenschiffe mit 1,1 Mio dtw.
Sie führen die Flaggen von 110 verschiedenen Staaten.
Im Berichtsjahr wurde die
Außendienst-Organisation ausgebaut,
so das der Germanische Lloyd nunmehr über 87 Exklusiv-Inspektionen
verfügt, die mit eigenen Besichtigern besetzt sind.
Insgesamt ist der GL mit zusätzlichen
nicht exklusiven Vertretungen
und durch Vertretungen befreundeter Klassifikationsgesellschaften
in 112 Ländern an ca. 400 Standorten vertreten.
Für die Durchführung von
Schiffssicherheitsaufgaben ist der GL
von 88 Staaten beauftragt.
Einen Eindruck vom Umfang der Tätigkeiten des Germanischen Lloyd
im Auftrag der Flaggenstaaten geben zwei Zahlen:
1990 wurden für nicht-deutsche Schiffe
ca. 12.000 Besichtigungen
durchgeführt und ca. 7.000 internationale Zertifikate ausgestellt.
Angesichts dieser beeindruckenden
Zahlen innerhalb nur einen Jahres
unter Berücksichtigung, daß der Germanische Lloyd nicht die einzige
Klassifikationsgesellschaft ist, muß es den Outsider verwundern,
daß die Schiffsversicherer binnen zwei Jahren die Haftpflichtprämien
nachzu verdoppeln mußten, um die immensen Schadensersatzansprüche
aufgrund der dramatisch gestiegenen Schiffsunfälle regulieren zu können.
Angesichts all der Kontrollen,
Besichtigungen und Zertifizierungen
fragt man sich, wie überhaupt noch irgendwas passieren kann.
Der GL hat im Berichtsjahr neben seinen
eigenen umfangreichen
Forschungsvorhaben für den Bundesminister für Forschung und Technik
über 100 verschiedene Forschungsvorhaben auf den Gebieten der
Schiffs- und Meerestechnik als Projektbegleiter betreut.
Das sind beeindruckende Zahlen
aber ich rufe auch dem GL noch einmal die Worte von Joseph Weizenbaum
in Erinnerung:
"In der heutigen Zeit müssen wir Prioritäten setzen !
Ein Flug zum Mars ist keine schlechte Idee,
aber die Lösung des Hungerproblems auf der Welt ist dringender!
Die technologische Gigantomanie birgt
so viele Unsicherheiten,
daß wir uns selber damit kaputtmachen!
Neueste technologische Entwicklungen
beinhalten nach meiner Meinung
mehr Risiken als Chancen!
Wichtig sind nicht immer neue
Entwicklungen !
Die Aufgabe der Wissenschaft ist es
heute vielmehr,
die realisierbaren Möglichkeiten der computergestützten Technologie
mit der Gegenwart in Einklang zu bringen!"
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