19302005
Pension Piepenhoeker - Wellness für Körper, Geist, Seele & Pfeife
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Kapitel 2



Auswirkungen einer völlig verfehlten Seeschifffahrtspolitik
 

In den vergangenen 25 Jahren gingen 246 Schiffe unter deutscher Flagge verloren.
Das sind im Schnitt fast 10 Schiffe pro Jahr.

1989 verschwand fast jeden zweiten Tag ein Schiff.
Weltweit wurden in diesem Jahr 156 Schiffe (mit 1,1 Millionen BRT)
den Versicherungen "als Verlust" gemeldet, darunter auch 19 deutsche Schiffe,
alle unter Flaggen von Billigländern.
Fast 800 Seeleute und Passagiere verloren ihr Leben.
Versicherer bezeichneten das Jahr 1989 als
"Jahr der Katastrophen".

1991 gingen 182 Schiffe über 500BRT mit einer Geamttonnage
von 1 708 464 Tonnen verloren.
An der Tonnage gemessen war das eine 40-prozentige Steigerung
gegenüber 1990 und der höchste Verlust seit über zehn Jahren.
Die Versicherungsbörse "Institute of London Underwriters" (ILU)
zeigte sich besorgt über die hohen Schiffsverluste.
Prämieneinnahmen in Höhe von 2,21 Milliarden Pfund standen
Schadensersatzforderungen von 4,069 Milliarden Pfund gegenüber.

Am 26. Februar 1992 konnte man in der Presse lesen,
daß die Schifffahrtsbranche in einer schweren Krise steckt.
Der Grund - die Havarien und Schadensfälle haben so rapide zugenommen,
daß sich die Haftpflichtversicherungsprämie innerhalb von zwei Jahren
verdoppelt hat - die Versicherungen sind kaum noch bezahlbar.

Fast 150 Jahre hat das Versicherungssystem der Schifffahrttreibenden
reibungslos funktioniert.
Die Welthandelsflotte ist darin fast komplett haftpflichtversichert
und garantiert ein hohes Prämienaufkommen.
Durch das Gegenseitigkeitsprinzip der weltweit operierenden
Protection & Idemnity Versicherung ist jeder Versicherte, egal ob Reeder,
Charterer oder Operator, zugleich auch Versicherer.
Somit kann jedes P&I Mitglied die hiesige Versicherungspolitik beeinflussen.
Über ein internationales Rückversicherungssystem werden Schadensfälle in Milliardenhöhe abgesichert. Versicherte konnten sich viele Jahre in diesem
einmaligen Leistungssystem geborgen fühlen.
Doch die Zeiten haben sich geändert.
Die Unglücksmeldungen haben so dramatisch zugenommen,
daß die Versicherung sich genötigt sah,
eine Untersuchung von rund 1000 Schadensfällen in Auftrag zu geben.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stellte der Experte
für Schiffsschadensermittlungen, Jurist und Kapitän Wöhrn,
im Hause der Nautischen Kameradschaft "Tritonia" vor.

Demnach sind 58% der analysierten Kollisionen, Ladungs-,
Personen-, Sach- und Verschmutzungsschäden auf menschliches Versagen
zurückzuführen.
Die Studie lieferte aber auch noch eine Reihe weiterer wichtiger Erkenntnisse:

Die meisten Schiffsunfälle finden erstaunlicherweise nicht in den verengten
Hafenrevieren statt - fast jede zweite Havarie passiert im offenen Wasser.

Bei Kollisionen ist der verantwortliche Kapitän nur in einem
von drei Fällen auf der Brücke.

Der verantwortliche Schiffsoffizier ist häufig alleiniger Entscheidungsträger
und offensichtlich mit der Schiffsführung überfordert.

Außerdem ereignen sich 60% der Kollisionsfälle bei Nacht.
Die Beteiligung des 2. Offiziers bei einer Kollision ist dreimal so hoch
wie bei anderen Offizieren.

Hierbei wurde versäumt zu erklären, daß es sich um die übliche Wachzeit
des zweiten Offiziers handelt, der aber häufig gar nicht an Bord ist:
Der Alleinsteuermann, der auch noch die Maschinenanlage bedient,
befindet sich von Mitternacht bis 06.00 Uhr morgens auf Wache.
Und falls doch noch ein 2. Offizier gefahren wird,
handelt es sich dabei in den wenigsten Fällen um einen deutschen Kollegen
sondern meistens um einen Billig-Exoten.

Dies ist auch ein gravierendes Problem der Seefahrtsschulabgänger,
die ein Patent mit dem Zusatz "W" ausgehändigt bekommen.
Sie müssen ihr Patent 2 Jahre als Wachoffiziere (2. oder 3. Offizier) ausfahren.
Das gibt den Reedern die Möglichkeit, das Lohnniveau der Schulabgänger
auf das der Billig-Exoten zu drücken.

Angesichts dieser erschreckenden Zahlen frage ich mich,
wie irgendjemand darauf kommen kann,
daß der Transport über See der sicherste Verkehrsweg ist.



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